Wir zeichnen herausragende Architektur aus.
Zum fünften Mal wurde in Stuttgart der industriebaupreis vergeben. Die StadtRegion Stuttgart ist industriell geprägt und sich dessen Herausforderungen bewusst. Vor diesem Hintergrund wird dem Industriebau und seiner Verantwortung für Gesellschaft und Stadt eine besondere Rolle zugeschrieben.
Am 25. September 2024 im Rahmen der Auftaktveranstaltung zum IREM Symposium im Haus der Wirtschaft in Stuttgart wurde der industriebaupreis2024 verliehen. Der industriebaupreis2024 wurde in den Kategorien Bauwerk, Städtebau und Nachwuchs ausgelobt. Wir bedanken für die Vielzahl gelungener Projekte und Arbeiten, die es der Jury nicht leicht gemacht haben!
Nominiert für den industriebaupreis wurden 10 der insgesamt 73 eingereichten Arbeiten, darunter gab es drei Preisträger. Ausgezeichnet wurden realisierte Bauwerke für ihr innovatives Zusammenspiel von Gestalt, Funktion, Gebäudetechnik, Nachhaltigkeit und Ökonomie vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Verantwortung. In der Kategorie "Nachwuchspreis" wurde eine innovative Abschlussarbeit von Studierenden der Universität Stuttgart prämiert.
Produktionserweiterung Halle 2 rossmanith fenster + fassade
Gewinner der Kategorie Bauwerk
"Die minimalistische eingeschossige Produktionserweiterung fügt sich in selbstverständlicher und platzsparender Weise in den Gebäudebestand ein. Städtebauliche Potentiale werden genutzt, indem an das Gebäude angrenzende Freibereichszonen durch Baumpflanzungen und Pflasterbelag aufgewertet werden. ... Vor allem würdigt die Jury die Materialwahl und das innovative Tragwerkskonzept des Gebäudes, das aus einer einschaligen monolithischen Leichtbetonhülle aus Recycling-Beton besteht, welche die energetischen Anforderungen ohne zusätzliche Wärmedämmung erfüllen kann. ... Überzeugend ist auch der Einsatz des Werkstoffes Holz in den biegebeanspruchten Deckenbereichen. ... Das Gebäudekonzept zeigt weiter, dass mineralische Baustoffe auch in der Zukunft des Bauens ihren Platz haben werden, denn im Hinblick auf CO2-Emissionen zählt letztendlich nur die Gesamtbetrachtung über die gesamte Lebensdauer eines Bauwerks. ... Der Neubau überzeugt durch sympathische Einfachheit und zeigt in vorbildlicher Weise, dass Gewerbebauten keineswegs trist sein müssen, sondern in architektonischer Hinsicht ohne weiteres mit anderen Kategorien mithalten und den Mitarbeitern hochwertig Arbeitsplätze bieten, im vorliegenden Fall sogar zu kleinen architektonischen Juwelen werden können."
Prof. Dr.-Ing. Stephan Engelsmann
(Vorstand der Ingenieurkammer Baden-Württemberg)
Neubau Wasserkraftwerk Töging am Inn
Sonderpreis der Kategorie Bauwerk
"Das Wasserkraftwerk in Töging am Inn ermöglichte 1924 den Betrieb eines Aluminiumwerks und die Industrialisierung der Gegend. Die mächtige Anlage, die dreissig Meter Gefälle für den Betrieb von 15 Turbinen nutzte, ist als ortsprägendes Monument des Ingenieurbaus denkmalgeschützt. Ein Neubau der technischen Anlagen erhöht die Effizienz der Stromerzeugung mit nunmehr nur noch drei Kaplan-Turbinen, versorgt 200'000 Haushalte mit Strom. Die in den Hang gebaute großtechnische Anlage integriert sich geschickt in das industriegeschichtliche Ensemble und tritt mit zurückhaltender Gestaltung nur am Ober- und Unterlauf in Erscheinung. Das weitgehend erdüberdeckte Bauwerk öffnet sich hier mit einer Fassade, die den Zugang zur mächtigen Maschinenhalle ermöglicht. Mit beeindruckender Selbstverständlichkeit finden wasserbauliche Anforderungen, extreme Topografie und denkmalgeschützter Bestand im mit Abstand größten deutschen Wasserkraftwerksprojekt eine neue Einheit, die für die nächsten hundert Jahre einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Stromversorgung leisten kann."
Andreas Hofer
(Intendant IBA'27)
Urban Production HUB bei Bosch
Gewinner der Kategorie Nachwuchs
Thema der Masterarbeit: Potentialanalyse urbaner Produktionsstandorte aus der Perspektive industrieller Bauherr*innen
"Die eingereichte Masterarbeit von Marlene Perl und Sammy-Jo Weinland befasst sich mit der Verzahnung von städtischen und industriellen Gebieten. ... Dieses Thema ist aktueller denn je, vor allem mit dem Hintergrund der Flächenversiegelung und der Transformation von Industriestandorten. ... Frau Perl und Frau Weinland ist es perfekt gelungen, nicht einfach nur alle Funktionen, die eine städtische Umgebung und ein industrieller Standort benötigen aneinanderzureihen, sondern diese miteinander zu verschmelzen. Dadurch entsteht eine hervorragende Symbiose dieser teilweise sehr unterschiedlichen Nutzungsarten. Die einzelnen Einrichtungen wurden nicht isoliert betrachtet, sondern integrieren sich nahtlos in den Gesamtkontext. Durch die Außenraumgestaltung mit offenen Plätzen und Parks wird diese Verzahnung nochmals unterstützt. Zudem sind bereits Grünachsen und eine Öffnung des Campus angedacht, damit eine logische Weiterentwicklung des Standortes problemlos erfolgen kann. ... Die Jury überzeugte vor allem mit welcher Leichtigkeit in dem Entwurf von Frau Perl und Frau Weinland ein komplexer Campus aus der großen Anzahl von Nutzungsarten zu einem schlüssigen Gesamtkonzept zusammengefügt wurde. Die analytischen Untersuchungen aus der Masterarbeit wurden perfekt in einen realisierbaren Entwurf umgesetzt."
Jürgen Schäfer
(Hauptausschuss der Arbeitsgemeinschaft für Industriebau AGI)
Brauereihalle Kirchheim
Nominierung der Kategorie Bauwerk
"Inmitten eines heterogenen Mischgebietes, das vor allem von gesichtslosen Gewerbebauten geprägt ist, haben mehr*Architekten, zusammen mit ihrer Bauherrschaft, einen produktiven kleinen Industriebaustein entwickelt. Mit einfachen und zweckmäßigen Mitteln wurde eine charakteristische und unverwechselbare Form geschaffen, die Identität stiftet. Auch im Innenraum gibt es keine Schicht zu viel. Der gekonnte Einsatz profaner Materialien und deren collagenhaften Fügung, erwecken einen wohltuenden Eindruck der Lässigkeit. Genau richtig für Ort und Funktion. Ebenso locker liegen die Funktionen offen beieinander in der Halle. Nichts wird verborgen, der Inhalt ist Programm und Schau. Ein gelungenes Ganzes. Suffizienz in ihrer besten Form. Beispielhaft ist vor allem aber auch das Setzen eines positiven Impulses in einer eher unambitionierten Umgebung. Hier wird sowohl durch die Architektur als auch durch die Nutzung ein Mehrwert für das Quartier geschaffen. Man kann nur hoffen, dass dieser Steinwurf ins Wasser weiter Kreise zieht und Gewerbe- und vor allem Mischgebiete wieder zu Orten werden, anstatt zu reinen Nutzflächen zu verkommen."
Liza Heilmeyer
(Vorsitzende der BDA Baden-Württemberg)
CERATIZIT
Nominierung der Kategorie Bauwerk
"Hier ist es gelungen, eine komplette Fabrik mit Produktion, Lager, Logistik, Sozialräumen und Büros überraschend selbstverständlich in eine sensible Alpenlandschaft zu platzieren. Der Umgang mit dem Baugrundstück ist äußerst ökonomisch: Funktionen werden gestapelt, die bewegte Topografie zur Erschließung auf zwei Ebenen genutzt und der Baukörper genau in die Grundstücksgeometrie eingepasst. Durch die Staffelung in der Höhe, das Knicken der langen Außenwand, die lockere Verteilung der schmalen, hohen Fenster und die Verwendung von Sichtholzschalung an den Fassaden gewinnt das große Bauwerk eine angenehme Maßstäblichkeit. Auch die Innenräume erhalten dadurch eine freundliche Atmosphäre. Für Tragwerk und Fassaden wird konsequent heimische Fichte eingesetzt. Die Abwärme aus den Produktionsprozessen wird ebenso vor Ort genutzt wie das kühlende Grundwasser. Beides sind wichtige Bestandteile eines insgesamt stimmigen und ausgesprochen nachhaltigen Gesamtkonzepts."
Thomas Herrmann
(Bezirksvorstand der Architektenkammer Baden-Württemberg)
erbe 4.i Zukunftsweisendes Kompetenzzentrum für Medizintechnik
Nominierung der Kategorie Bauwerk
"Der Neubau ergänzt den bestehenden Produktionsstandort mit einem komplexen Raumprogramm aus Produktions-, Logistik-, Lager-, Büro-, Schulungs- und Sozialflächen, die mit kurzen Wegen um ein zentrales dreigeschossiges Atrium angeordnet sind. Das Wohl der Angestellten und die ökologische Nachhaltigkeit führten zu einem ungewöhnlich sorgfältig gestalteten und materialisierten Industriegebäude. Der Baustoff Holz erwies sich dabei als Schlüssel. Präzise Vorfertigung von Elementen für die Gebäudehülle und die innere Struktur, hervorragende thermische Eigenschaften und eine weiche, wohnliche Stimmung prägen das Gebäude in einer für den Industriebau untypischen, aber wegweisenden Art. Dabei gelang es die umfangreichen Installationen formal und technisch optimal zu integrieren. Selbst die betrieblich zentralen Reinräume sind durch geschickte Detaillösungen, wie die vom Tragwerk abgehängte Decke mit von oben zugänglichen Installationen, in das konstruktive System integriert. Die Stapelung der Funktionen führt zu einer kompakten Anlage, die das Grundstück optimal nutzt und die nötigen Logistikflächen knapp und effizient an der Peripherie organisiert."
Andreas Hofer
(Intendant IBA'27)
Holzhut
Nominierung der Kategorie Bauwerk
"Beim „Holzhut“ von rundzwei Architekten ist der Name Programm. Wie ein breitkrempiger Bowler sorgt der Dachüberstand nicht nur für Sonnen- und Regenschutz, sondern zieht die Aufmerksamkeit auf sich und verschafft dem neuen Unternehmenssitz eine hohe Prägnanz und Wiedererkennbarkeit. Die vollständig umlaufende Vordachkrempe verbindet nicht nur Hallen und Betriebsgebäude miteinander, sondern unterstützt mit der vorgeflammten, schwarzen Holzverkleidung auch die prägnante Form und das markante Erscheinungsbild. Von der Gesamtkomposition profitiert vor allem der Raum als Arbeitsort: in Form der zehn Meter hohen, lichtdurchfluteten Halle oder im erdgeschossigen Verkaufsraum und den zwei weiteren Büroetagen, in deren weiß gehaltenes Atrium eine kontrastierend anthrazitfarbene, skulpturale Wendeltreppe eingestellt ist. ... Dass dieser vorbildliche Industriebau in nachhaltiger, hybrider Holzbauweise errichtet wurde, und mit intensiver Dachbegrünung und gut gestalteten Außenanlage wohltuend von den häufig immer noch großflächig versiegelten Gewerbegebieten abweicht, rundet das positive Bild ab."
Reiner Nagel
(Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur)
TRUMPF Multifunktionsgebäude
Nominierung der Kategorie Bauwerk
"Der kubische Baukörper ergänzt die bestehenden Formen in natürlicher Weise und vervollständigt so den Masterplan von Barkow Leibinger. Ein Masterplan der frühzeitig entstanden und konsequent umgesetzt wird, wie es leider nicht viele Bauherren schaffen. Das von Barkow Leibinger entwickelte Gebäude umfasst verschiedene Nutzungen, die innerhalb des kompakten Baukörpers verortet sind: Labore, Büros, einen Konferenzbereich und das Betriebsrestaurant auf der obersten Etage. Eine herausfordernde Nutzungsmischung, die um einen lichtgebenden Innenhof arrangiert ist und von nahezu allen Flächen den Bezug zum Außenraum bietet – aber nicht einfach in einem Kubus angeordnet. ... Dass die Offenheit, die sich in der Anordnung des Baukörpers mit dem Innenhof und den versetzten Ebenen findet, auch bei der Materialwahl zum Tragen kommt, ist eine konsequente Entscheidung. ... Bauherr, Architekt und alle Fachplanenden haben mit diesem Vorhaben einen gelungenen Beitrag für den industriebaupreis2024 geliefert. Er zeichnet sich nicht nur durch die gekonnte Einbindung in den Standort aus, sondern unter anderem auch durch die hohen Mehrwerte, die für die Menschen an diesem Standort geschaffen werden. Kurzum – ein Gebäude in dem man sich wohl fühlt!"
Univ.-Prof. Dr. Christian Stoy
(Leiter des Instituts für Bauökonomie, Universität Stuttgart)
Pabieri – Wohnen in der Brauerei
Nominierung der Kategorie Nachwuchs
"Die Arbeit Pabieri zeigt auf lustvolle Weise eine vielschichtige Umnutzungsstrategie für eine Industriebrache, die teilweise weiterhin auf Gewerbe setzt. Als Produktionsstätte wird eine Brauerei vorgeschlagen. Diese findet allerdings nichtmehr als Monofunktion statt. Es ist eine symbiotische Mischnutzung von Produktion, Wohnen und Arbeiten vorgesehen. Verwoben werden dabei nicht nur Funktionen, sondern, als interdisziplinäres Team, haben die Verfassenden Lösungen gesucht, Kreisläufe zu bilden, Energie und Ressourcen mehrfach zu nutzen. Eine sowohl analytische wie auch gestalterisch fein ausformulierte Arbeit, die überzeugt. Durch die qualitätvolle Ausarbeitung und inspirierenden Ideenreichtum ist hier ein Projekt entstanden, das Freude bereitet und zum Nachdenken über neue Ansätze der Umnutzung anregt. Zum Wohl!"
Liza Heilmeyer
(Vorstandsvorsitzende der BDA Baden-Württemberg)
Schindlers Arche
Nominierung der Kategorie Nachwuchs
"An einem sehr speziellen Ort setzt sich die Arbeit mit grundlegenden Themen des Umgangs mit historischer Bausubstanz auseinander. Zum einen geht es darum, den Bestand genau zu untersuchen, ihn „kennenzulernen wie eine Person“ und die Potentiale zu seiner Weiterentwicklung herauszuarbeiten. Zum anderen sollen seine historischen Tiefenschichten erfasst und für uns Gegenwärtige erfahrbar gemacht werden. ... Die Eingriffe in die Bausubstanz werden auf das Wesentlichste beschränkt, es wird gesichert, aber nicht rekonstruiert. In den älteren, einst von Schindler genutzten Gebäuden entsteht eine Gedenk- und Lernstätte. Die Fabrikteile aus den 60er Jahren werden genutzt, um ein in die Zukunft gerichtetes Zentrum zur Erneuerung der regionalen Textilproduktion aufzubauen. Durch die verkehrsgünstige Lage an einer Schnellbahnstrecke könnte aus diesem spannungsvollen Miteinander tatsächlich ein Impulsgeber für die ganze Region werden. Die Auseinandersetzung mit dem Ort und die Entwurfsabsichten werden durch die sorgfältige und poetische Darstellung anschaulich und nachvollziehbar."
Thomas Herrmann
(Bezirksvorstand der Architektenkammer Baden-Württemberg)